Das war SINN|MACHT|GEWINN 2024

Ein persönlicher Rückblick

Das war SINN|MACHT|GEWINN 2024

Am ersten September-Wochenende wurde ich reich beschenkt. 

SINN|MACHT|GEWINN fand zum 7. Mal in der einmaligen Atmosphäre des LandgutStober statt.
115 Unternehmerinnen und Unternehmer loteten die Wege zu einer enkeltauglichen Wirtschaft aus und ließen sich (bei ziemlicher Hitze – 32°C+) auf die heißen Fragen unserer Zeit ein.

Mit den Programm hatte ich mich bewusst „aus dem Fenster gelehnt“ und wollte für dieses Wochenende nicht nur einen Kuschelkurs von Gleichgesinnten aus der Nachhaltigkeitsbubble. Mir war und ist wichtig, dass wir darüber sprechen, was zu einen wirklich guten Leben gehört und was eben vielleicht auch nicht, ob #Verzicht das Wort ist, das wir um jeden Preis meiden sollten oder offensiv darüber sprechen – und wenn ja, in welcher Sprache. 


Deshalb war ich froh und dankbar für die Einstiegs-Keynotes von Niko Paech, der ultra-komprimiert die Grundlagen einer Postwachstumsökonomie umriss, und Christel Maurer, die eine Taxonomie der Suffizienz im Unternehmen vorstellte und für jedes dieser Taxonomiekriterien Unternehmensbeispiele dabei hatte, wie diese mit Suffizienzstrategien nicht nur vorbildlich, sondern wirtschaftlich auch erfolgreich sind. 

Deshalb hatte ich sofort zugestimmt, als mir vor Monaten Tobias März vorschlug, einen Impulsvortrag darüber zu halten, warum er seine Tätigkeit als Ingenieur für Solarprojekte vor allem in Bangladesch heruntergefahren und sich der #LetztenGeneration angeschlossen hat. Denn so sehr die Aktionen der Letzten Generation im letzten Jahr polarisiert haben: Die Themen, um die es ihr geht, liegen immer noch auf dem Tisch und werden politisch gerade dem Rechtsruck in unserer Gesellschaft geopfert. Mir lag und liegt es am Herzen, dass wir die Menschen und ihre Beweggründe sehen und dass wir gemeinsam nach Wegen suchen und Lösungen finden. 

Der Workshop von Heinrich Strößenreuther war ein guter Kontrast oder auch eine gute Ergänzung dazu, zeigte er doch auf, wie es gelingen kann, selbst Konservative für die Energiewende zu gewinnen, indem man über die wirtschaftlichen und finanziellen Vorteile und Möglichkeiten spricht, die sich ergeben, wenn z. B. ein Landkreis auf erneuerbare Energien setzt und dafür sorgt, dass die Gewinne daraus in der eigenen Region verbleiben. Er spart Energie- und Heizkosten durch Erzeugung, kann das gesparte Geld in die Entwicklung des Landkreises stecken, erwirtschaftet Einnahmen für den Landkreis durch Energieeinspeisung und gewinnt dadurch den Spielraum für Investitionen und Leistungen für die Bürger*innen vor Ort und sorgt für Aufträge und Einkommen im eigenen Kreis. Heinrich zeigte auf, dass er bei entsprechenden Vorträgen zum Thema die Menschen gewinnt, indem er nicht ein einziges Mal das Wort Klima in den Mund nimmt, aber die Vorteile aufzeigt, wenn man sich im Landkreis diesen Themen proaktiv zuwendet und die Entwicklungschancen im Wandel sieht. 


Weil ich mich aus dem Fenster lehnen wollte, hatte ich auch das Forum  Unternehmensverantwortung, Demokratie und Gerechtigkeit ins Programm aufgenommen und bin Carsten Fest und Christoph Golbeck sehr, sehr dankbar, dass sie bereit waren, mit ihren Unternehmensbeispielen aufzuzeigen, welche Zwickmühlen sich ergeben können, wenn Leistungsträger*innen im Unternehmen beginnen, zu antidemokratischen und rassistischen Denkweisen zu tendieren. Und dass sie bereit waren, zu erforschen, welche Chancen darin liegen können, gerade im Unternehmen klar Haltung zu zeigen UND mit diesen Kolleg*innen im Gespräch zu bleiben.
Im Forum zeigte sich, wie schnell wir durch die eine oder andere Wortwahl getriggert sind. Wie schnell es gehen kann, dass ein Gespräch dadurch eskaliert, selbst wenn Menschen im Gespräch sind, die eigentlich gemeinsam in die gleiche Richtung wollen.
Das war auch eines der Fazits:
Es kann leicht passieren, dass ein solches Gespräch entgleitet. Doch wenn wir uns auf der menschlichen Ebene mit Respekt und Wohlwollen begegnen, ist es möglich, den Faden wieder aufzunehmen und das Gespräch fortzusetzen. Klarheit erleichtert die Orientierung. Es ist möglich, sich zu einigen, dass man in bestimmten Punkten differente Meinungen hat und dass man sich dennoch mit Respekt begegnet. Und es kann wichtig sein klare #Werte zu äußern und auch unverhandelbare Maßstäbe zu setzen. Und auch dieses Setzen erfordert begleitende Gespräche darüber, warum genau diese Werte unverhandelbar sind. 


Weil ich mir bewusst war, dass der Start mit der Postwachstumsökonomie unseren über Jahrzehnte verinnerlichten Vorstellungen darüber, dass eine gesunde Unternehmensentwicklung zwingend mit Wachstum verbunden ist, voll zuwider läuft, und weil es so viele Punkte gibt, wo wir uns angesichts der Krisen dieser Welt fragen müssen, welche Geschäftsmodelle überhaupt zukunftsfähig und enkeltauglich sind, hatte ich mich das ganze letzte Jahr in der Vorbereitung auf den Kongress auf die Session mit Jule Bosch gefreut und ihr den Titel gegeben: „What the fxck, mein Geschäftsmodell sollte es vielleicht gar nicht geben?!?“

Denn es stellt sich ja die Frage: Was tun, wenn die Erkenntnis reift, dass das eigene Geschäftsmodell aus Klima- oder ökologischer Sicht vielleicht sogar schädlich ist? In der Logik unseres Wirtschaftssystems wäre ja nicht einmal etwas gewonnen, wenn ich dann direkt damit aufhören würde, weil dann ja nur ein Wettbewerber meinen Platz einnehmen würde. Jule lud uns mit einem pfiffigen Arbeitsblatt ein, uns anzuschauen, was ein cooles Startup tun müsste, um unser eigenes Geschäftsmodell zu crashen. Und im Anschluss sich zu überlegen, wie wir dem konstruktiv und erfolgversprechend begegnen könnten. Zugegeben – eine Denksportaufgabe, bei der ich sehr gut beobachten konnte, an welchen Punkten ich möglicherweise meine blinden Flecken habe. Ich glaube, das ging auch anderen so.😉
Sehr inspirierend in dieser Session die Beispiele von Axel Kaiser mit denttabs, Dirk Harste mit Curam Energia und Carsten Fest mit senne products. 


Bei allem, was wir unternehmerisch tun – und ganz besonders, wenn wir die Art und Weise wie wir wirtschaften grundsätzlich ändern wollen – ist #Scheitern als Option immer mit eingepreist.
Das machen wir uns oft nicht so bewusst, und wenn wir es im Fokus hätten, würden wir möglicherweise nicht anfangen. Deshalb ist es wichtig, dass wir das Tabu ums Scheitern lüften und viel mehr darüber sprechen.

Mein Gespräch mit Raphael Fellmer und Felix Dossmann zu den Insolvenzen, die sie im letzten Jahr anmelden mussten, dazu,

  • wie es dazu kam,
  • welche Kämpfe sie gekämpft haben,
  • was es für sie emotional bedeutet hat,
  • welche Unterstützung sie bekommen haben und welche sie proaktiv gesucht haben und, ganz besonders,
  • was sie anderen raten würden, wenn sich eine solche Situation anbahnt (spannende Frage auch: Wann haben sie gemerkt und woran, dass sich diese Situation anbahnt?),

hat mich und alle im Publikum sehr berührt. 

Danke an Felix und Raphael für die unglaubliche Offenheit, mit der sie berichtet haben. Dieser Einblick war und ist so, so wertvoll.


Einen großen Raum nahmen dieses Jahr verschiedene Workshops rund um Sichtbarkeit, Marketing und Verkauf ein – denn genau das braucht es, wenn wir wollen, dass sich die nachhaltigen, regenerativen Lösungen durchsetzen und die eher zerstörerischen ablösen; wenn wir wollen, dass sich das Bewusstsein und unser Verhalten wandelt.
Danke an Lisa Baur & Sarah Schulze Darup, Andrea Mörike & Simon Lühr und Amon Thein für ihre Workshops, mit denen die unterschiedlichen Facetten von Marketing, Vertrieb und Storytelling for good aufgemacht und so viele inspiriert haben.


Der Raum reicht nicht, um alle Programmpunkte auf einmal zu würdigen. Mit den nächsten Posts gibt es mehr – und einen Ausblick auf das, was kommt. 

Ich bin dankbar für einen Kongress, bei dem wir uns gegenseitig so vielfältig inspiriert haben, und auf dem so viele die Challenge, die in dem einen und anderen Programmpunkt vorprogrammiert war, so verstanden haben, wie ich sie meinte: als Einladung, uns zu hinterfragen, und die enormen Entwicklungsfelder, die in den Herausforderungen unserer Zeit liegen, positiv für sich angenommen haben. 

Danke für dieses Wochenende und die Kraft, die ich von dort mitgenommen habe. 🙏

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