Interview mit Uwe Friebe

So nachhaltig geht Messebau: Uwe Friebe setzt Zeichen

Interview mit Uwe Friebe

Uwe Friebe ist der erste Messebauer in Deutschland, der eine GWÖ-Bilanz aufgestellt hat. Beim SINN|MACHT|GEWINN-Kongress 2022 bekam er sein Zertifikat überreicht. Wir haben ihn gefragt, was das Herausfordernde an der Bilanz war und was das Nachhaltige an Artist MesseService und -bau ist.

Uwe, was hat dich bewogen, eine Gemeinwohl-Bilanz für dein Unternehmen zu erstellen? Du bist jetzt der erste zertifizierte Messebauer in Deutschland.

Die Inspiration habe ich letztes Jahr hier von SINN|MACHT|GEWINN mitgenommen. Ich habe es zunächst mit dem DNK-Bericht (Deutscher Nachhaltigkeitskodex) versucht. Da bin ich ziemlich weit gekommen, doch nun liegt er erstmal da. Irgendwann werde ich diesen Bericht auch noch fertig machen. Bei der GWÖ-Bilanz war die Peergroup hilfreich. Die Arbeit in der Gruppe, mit der ich die Gemeinwohl-Bilanz zusammen erstellt habe, und unser GWÖ-Berater Thomas Uloth haben mich motiviert, dranzubleiben. Die monatlichen Treffs waren für mich der Ansporn, auf den Punkt zu liefern, was von mir erwartet wurde. Das half doch sehr, die Bilanz innerhalb von sechs Monaten zu vollenden. 

Hast du Erkenntnisse durch die Bilanzierung gewonnen, wo du strategisch noch was machen kannst oder wo du schon so gut bist, dass du da wieder zurückfahren kannst?

(lacht) Vom Gefühl her sind wir in allen Dingen schlecht. Die Bilanz zeigt einem auf, wo man was verbessern kann. Ich nutze sie als Leitfaden, Artist MesseService noch stärker im Sinne der Gemeinwohlökonomie auszurichten. Es geht nicht darum, perfekt zu sein oder eine Prüfung zu bestehen. Es ist ja eine Bilanz und das heißt: Strich drunter – wie ist jetzt der Status? Wenn mich jemand fragt, wann man da einsteigen sollte, dann sag ich: So früh wie möglich.

Mittlerweile bin ich in der GWÖ-Regionalgruppe Paderborn Ansprechpartner für Unternehmen, die sich für eine Gemeinwohl-Bilanz interessieren. Besonders Spaß machen da Unternehmen, die ganz „normal“ sind, etwa ein Malerunternehmen. Denn die starten meist gerade erst mit ihren Gedanken an Nachhaltigkeit und Gemeinwohl. Wenn man schaut, wer unsere Region ausmacht, sind das genau diese kleinen Unternehmen. Die Nachhaltigkeitsidee da reinzutragen, ist mir am wichtigsten. 

Bist du da als Botschafter unterwegs, um Unternehmen für GWÖ zu inspirieren?

Ja, das bin ich, ohne für sowas einen Titel zu haben. Das habe ich mir einfach selber auf meine Fahne geschrieben. Da will ich jemand sein, der davon erzählen kann und das authentisch. 

Was sagen andere Messebauer dazu?

Ich bin in der IG Messewesen, einem Verband, der sich zu Corona-Zeiten gegründet hatte, als es unserer Branche so richtig an den Kragen ging. Bereits in dieser Zeit hat sich eine Nachhaltigkeitsgruppe gebildet, weil wir gemerkt haben, dass es so nicht weiter geht. Jetzt ist das Thema Nachhaltigkeit ganz konkret als Ziel aufgenommen. Und das finde ich gut.

Ein weiteres Thema bei uns, das damit sogar einher geht, ist Zusammenarbeit. Kooperation kann ja auch bedeuten, dass man irgendwelche Lieferwege abkürzt. Daran genau will ich arbeiten. 

Das bedeutet, dass wenn beispielsweise in Hamburg eine Messe stattfindet, da nicht Leute aus München hinfahren, um aufzubauen?

Genau das ist meine Vision, dass wir das hinkriegen! Ich glaube, dass ich auch Partner, also andere Messebauunternehmen, die ähnlich ticken, davon überzeugen werde. Denn das ist ein Benefit für uns und für unsere Kunden. Wir können dadurch unsere Dienstleistungen günstiger anbieten und der Benefit für die Natur liegt auf der Hand. Wir verbringen einfach weniger Kilometer auf der Straße, das ist gut für Material und Personal. 

Was war die einprägsamste Erkenntnis, die du durch deine GWÖ-Bilanz gewonnen hast? Kannst du das so sagen?

Ne, das kann ich noch gar nicht sagen. Ich bin ganz gespannt, was jetzt so passiert, was das mit uns, mit unserem Unternehmen machen wird. Ich glaube, dass wir für viele, die ähnlich denken wie wir, durch das Zertifikat interessanter werden, weil wir einfach sichtbarer werden.

Wir haben schon seit ganz vielen Jahren im Claim: „inspired by friendship“. Das bedeutet nichts anderes, als dass wir ein wertschätzendes Miteinander total schätzen – mit unseren Lieferanten, mit meinen Mitarbeitern. Ich will einfach die wertschätzenden Kunden haben, vor allem für meine Mitarbeiter, damit wir alle viel Spaß bei der Arbeit haben. 

Welcher Punkt bei der Bilanzierung hat dir am meisten Schwierigkeiten bereit?

Aller Anfang war schwer. Wenn du da ein weißes, strahlendes Blatt vor dir liegen hast und sollst dann die ersten Zeilen zu Papier bringen. Es wird ja erwartet, dass du da was Sinnvolles reinschreibst. Danach ging es ganz gut.

Der erste Punkt, mit dem wir uns als Peergroup beschäftigt haben, war „Austausch mit der Gesellschaft“. Eigentlich das letzte der fünf Kapitel, die man durchleuchtet, aber das hat es in sich. Wie gesagt, hat mir der Austausch mit der Gruppe geholfen, die Aussagen zu finden und zu verschriftlichen.

Bei mir im Unternehmen war ich derjenige, der die Bilanz erstellt hat. Corona-bedingt waren ganz wenig Leute da. Ich habe die Zeit für mich gebraucht, um ein bisschen in das Unternehmen hineinzufühlen. Mit sehr viel Ruhe, und das tat mir richtig gut.

Manche Sachen muss man sich auch wieder bewusst machen. Die sind schon so gewohnt, dass man gar nicht mehr drüber nachdenkt. Zum Beispiel: Muss das Wasser beim Zähneputzen laufen? Da kann ich noch eine ganze Menge anstoßen. 

Was hast du dir als nächstes vorgenommen? Welches Ziel wirst du gleich als erstes umsetzen?

Hab ich schon! Ich gehe gern ergebnisoffen in eine Konferenz wie SINN|MACHT|GEWINN. Ich will das Thema Mitarbeiter jetzt in den Fokus für das nächste Jahr stellen. Beispielsweise will ich Meetings anders gestalten. Ich will über Nachfolge sprechen. Mir ist sehr wichtig, dass die Leute sich bei uns in unserem Unternehmen total wohlfühlen. Ich weiß, dass sie das schon tun, ich erlebe, dass sie sehr gerne bei uns zur Arbeit kommen. Das freut mich und das möchte ich sicherstellen. Das ist ein ganz großes Ziel. 

Wie viele seid ihr?

15, mit mir 16. Dazu etwa 30 freie Mitarbeiter, die ziemlich regelmäßig bei uns arbeiten. Hier möchte ich nochmal betonen: Alle Mitarbeiter ziehen mit am GWÖ-Strang, eben „inspired by friendship“. 

Messebau produziert gewöhnlich sehr viel Abfall. Das Besondere, Nachhaltige bei deiner Firma ist, dass ihr möglichst alle Materialien recycelt.

Ja, unsere Teppiche bekommt Mad Owl. Die haben ganz tolle Ideen für ein zweites Leben von Material und machen daraus Taschen, Handyhüllen und Give aways. Leider kann man Teppiche auf Messeständen nur einmal verwenden. Der Kunde erwartet da eine gleichmäßige Fläche, das leistet ein gebrauchter Teppich nicht. Wobei wir nur recyclingfähiges Material einsetzen.

Was wir aber wiederverwenden, sind die Rahmen und Aufbauten unserer Messestände. Das ist ein System, das einfach eine neue Bespannung bekommt. Wir arbeiten gern mit Textilien. Das hat den Vorteil, dass wir weniger Material transportieren müssen und komplett auf PVC verzichten. Allerdings suchen wir noch nach Möglichkeiten, diese Gewebe zu recyclen. Es sind ganz unterschiedliche Materialien. Wir selbst verwenden alles Mögliche als Verpackungsmaterial. Aber da will ich eine große Lösung. 

Vielleicht könnte es Dämmmaterial beim Hausbau werden? Es gibt ja Versuche mit Jeansstoff zur Lärm- und Wärmedämmung.

Gute Idee. Wir halten natürlich immer Augen und Ohren auf und bieten alles an, was wir haben. Es gibt in Paderborn das Unternehmen ReUse and Trade. Die gehen auf Industrie und Handwerk zu und fragen nach Überkapazitäten, Restposten, Rohmaterial oder Fehlbestellungen. Das verkaufen sie dann.

Wir haben zum Beispiel im vergangenen Jahr eine Möbellinie bei uns rausgenommen, weil wir etwas Neues gebaut haben. Die sind über ReUse and Trade nach und nach verkauft worden. Da, wo diese Theken jetzt stehen, erfüllen sie wunderbar ihren Zweck – ein funktionierendes Beispiel für Kreislaufwirtschaft.

 

Übrigens: Wir haben einen CO2-Rechner für Messestände entwickelt. Gemeinsam mit unseren Kunden können wir damit nachhaltigere Messestände realisieren. Wir wollen Vorbild-Unternehmen für nachhaltigen Messebau sein. Mit unserer GWÖ-Bilanz sind wir nun auch für viele andere Unternehmen sichtbarer geworden. Ich bin da immer gesprächsbereit und offen für Ideen und Tipps.

 

Das Interview führte Carola Battistini-Goldmund.

Schau dir auch das Statement von Uwe sowie die Fernsehreportage über Artist MesseService und -bau als Vorbildunternehmen für den Klein- und Mittelstand auf seiner Website an – produziert von Christoph Wanna.

Informationen

Veröffentlicht am 16. Dezember 2022

Relevante Menschen

Relevante Themen

Relevante Kongresse

Kongress Anmeldung