Unternehmer*innen für eine enkeltaugliche Wirtschaft von morgen
Polarisierung verstehen - und der Mitte eine Stimme geben
Ein Rollenmodell von Bart Brandsma

Ob in Talkshows, sozialen Medien oder am Küchentisch: Gesellschaftliche Debatten scheinen sich immer stärker zuzuspitzen. Die Extreme bestimmen die Schlagzeilen, während die große gesellschaftliche Mitte oft kaum Gehör findet. Der niederländische Philosoph und Journalist Bart Brandsma erforscht seit Jahrzehnten, wie Polarisierung entsteht – und wie Demokratien gesund damit umgehen können.
Auf der Digitalkonferenz re:publica 2025 stellte er sein Modell der fünf Rollen in Polarisierungsdynamiken vor:
- Pusher treiben die Spaltung voran, meist lautstark und mit klaren Feindbildern.
- Joiner stimmen in Teilen zu und verstärken damit indirekt die Pusher.
- Die Stillen bilden die oft übersehene Mitte der Gesellschaft – engagiert, neutral oder indifferent.
- Brückenbauer wollen vermitteln, geben dabei aber manchmal den Extremen zu viel Bühne.
- Sündenböcke werden gezielt ausgegrenzt und dämonisiert – ein gefährlicher Punkt, ab dem Deeskalation kaum noch möglich ist.
Brandsmas zentrale Botschaft: Wer Polarisierung konstruktiv begegnen will, muss die Mitte stärken. Statt ständig die Extreme ins Rampenlicht zu stellen, sollten Politik, Medien und Gesellschaft die Perspektiven und Dilemmata jener Menschen sichtbar machen, die weder auf der einen noch auf der anderen Seite stehen.
Viele in der Mitte fühlen sich nicht gesehen. Ihre Geschichten werden zu selten erzählt – und genau das macht sie anfällig für die Narrative der Pusher. Bart BrandsmaDrei Grundgesetze der Polarisierung fasst er so zusammen:
- Sie ist kein klassischer Konflikt, sondern ein Gedankenkonstrukt.
- Sie lebt von negativen Zuschreibungen über die Identität anderer.
- Sie wirkt auf der Gefühlsebene – Fakten allein reichen nicht, um sie zu entschärfen.
Brandsma plädiert dafür, Polarisierungsstrategien nicht nur gegen extreme Rhetorik zu richten, sondern vor allem auf Empathie und Unabhängigkeit in der Mitte zu setzen. Anstatt vorschnell Lösungen zu präsentieren, sollten wir lernen, Dilemmata auszuhalten und sie in Worte zu fassen: „Worauf hoffen wir gemeinsam?“
Sein Appell: Jede:r kann zur Deeskalation beitragen – als Journalist:in, als Unternehmer:in oder Führungskraft, als Bürger:in. Nicht, indem wir Brücken zwischen Extrempolen bauen, sondern indem wir den Blick dorthin richten, wo die meisten Menschen stehen: in der Mitte. Dort, wo tagtäglich versucht wird, Werte-Dilemmata auszubalancieren, den eigenen Überzeugungen treu zu bleiben und gleichzeitig Brüche in der Gesellschaft zu verhindern. Diese leise, aber unermüdliche Arbeit am Zusammenhalt verdient es, gesehen, gewürdigt – und gestärkt – zu werden.
Danke an Perspective Daily für die Inspiration zu diesem Artikel und die Illustration.
Hier geht´s zum Auftritt von Bart Brandsma auf der re:publica2025 - Original/ Version mit deutscher Übersetzung
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Veröffentlicht am 12. August 2025