Naturpositives Wirtschaften

Ein Diskussionspapier der OroVerde Tropenwaldstiftung

Naturpositives Wirtschaften

„Naturpositives Wirtschaften“- neues Label oder echter Wandel?

Nachhaltig engagierte Unternehmen stehen derzeit vor einer besonderen Herausforderung: Wie sollen sie ihr Engagement für eine enkeltaugliche Wirtschaft wirksam kommunizieren? Die Tropenwaldstiftung OroVerde hat untersucht, ob sich das Konzept und der Begriff „Naturpositivität“ für eine transparente Unternehmenskommunikation eignen.


Klimawandel und Klimaschutz sind in aller Munde. Doch zunehmend geraten auch Natur- und Biodiversitätsverlust in den Fokus. Zurecht: Zum einen sind unsere heutigen globalen Krisen eng miteinander verschränkt und können nicht isoliert betrachtet werden. Zum anderen zeigt bspw. ein Bericht des Weltwirtschaftsforums von 2020, dass über die Hälfte des globalen BIP – rund 44 Billionen US-Dollar – „mäßig“ bis „stark“ von der Natur abhängt. Naturschutz wird zunehmend zur strategischen Notwendigkeit!

Die Vision einer naturpositiven Zukunft

Ein Meilenstein im Ringen um mehr Naturschutz ist der Globale Biodiversitätsrahmen von Kunming-Montreal aus dem Jahr 2022. In diesem völkerrechtlichen Abkommen haben sich rund 200 Staaten dem Ziel verschrieben, den Verlust von Natur bis 2030 zu stoppen, ihn umzukehren und bis 2050 in Harmonie mit der Natur zu leben.

Seit etwa fünf Jahren wird in diesem Zusammenhang der Begriff „Naturpositivität“ als globales Ziel für den Naturschutz diskutiert, vergleichbar mit dem 1,5-Grad-Ziel im Klimaschutz. Auf internationaler Ebene wird der Begriff bereits breit verwendet. Doch was steckt dahinter? Handelt es sich hier um einen weiteren Nachhaltigkeitsbegriff oder tatsächlich um einen neuen Ansatz für eine nachhaltige Transformation, der auch in Deutschland angewendet werden kann?

Im Rahmen des Projektes „Naturpositives Wirtschaften – Handlungsempfehlungen für Politik und Markt“, das vom Bundesamt für Naturschutz gefördert wird, hat OroVerde das Konzept genauer unter die Lupe genommen und Für und Wider mit Expert*innen aus Politik, Wirtschaft, Forschung und Zivilgesellschaft diskutiert.

Unschärfen und Risiken der Naturpositivität

Einer der größten Kritikpunkte an Naturpositivität besteht darin, dass weder Begriff noch Konzept einheitlich und konkret definiert sind. So existieren unterschiedliche Auffassungen, die sich überschneiden. Doch was nicht ausreichend definiert ist, kann auch nicht zahlenmäßig belegt und transparent kommuniziert werden. So entsteht ein großes Risiko für einen Missbrauch des Begriffs bis hin zu Greenwashing.

Ein weiterer, großer Kritikpunkt ist, dass das Konzept der Naturpositivität Zerstörung und Verlust von Natur nicht ausschließt. Wie auch beim Klimaschutz kann der Schaden an anderer Stelle ausgeglichen werden. Doch negative Klimaauswirkungen wirken wie auch  Klimaschutzmaßnahmen global. Die Zerstörung von Natur hingegen hat direkte Auswirkungen auf lokaler Ebene. Der Verlust kann nicht im qualitativ gleichen Maß ausgeglichen und wiederhergestellt werden wie bei Emissionen. Denn insbesondere Ökosystemdienstleistungen und genetische Vielfalt sind viel komplexer und können häufig gar nicht ausgeglichen werden. Das muss in der Debatte um Naturverlust und Naturwiederherstellung im Vergleich zum Klimaschutz dringend berücksichtigt werden.

Die Chancen und Grenzen der Naturpositivität

Trotz dieser Herausforderungen beinhaltet das Konzept der Naturpositivität auch große Chancen: Es fordert eine ganzheitliche Betrachtung der Auswirkungen wirtschaftlichen Handelns auf die Natur – über den Klimaschutz hinaus. Zudem beinhaltet das Konzept die Wiederherstellung von Natur, statt lediglich eine Schadensbegrenzung, wie es bei Maßnahmen zum Klimaschutz der Fall sind. Dies ist angesichts des zunehmenden Verlusts von intakten Ökosystemen und Landnutzungsänderungen weltweit ein wichtiger Schritt für eine enkeltaugliche Zukunft.

In einem waren sich die Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft, Forschung und Zivilgesellschaft im Projekt einig: Der Begriff naturpositiv sollte nicht auf Ebene von einzelnen Unternehmen für ihren gesamten Betrieb, ein Produkt oder eine Lieferkette angewandt werden. Dafür ist das Konzept in seiner Umsetzung und Verifizierung zurzeit zu komplex. Zudem sehen sich Unternehmen bereits heute mit umfassenden Nachweispflichten konfrontiert. Europäischen Richtlinien wie die Empowering Consumers Directive oder die Green Claims Directive werden zukünftig die Nutzung von Nachhaltigkeitsbegriffen deutlich stärker reglementieren. Das gilt auch für einen Begriff wie Naturpositivität.

Stattdessen sieht OroVerde das größte Potenzial des Konzepts in einer Ausgestaltung als gesamtwirtschaftliches Leitbild. So kann Naturpositivität als richtungsweisende Vision für eine ganzheitliche Transformation der Wirtschaft dienen, an der verschiedene Sektoren über konkrete Sektor-Ziele und -Entwicklungspfade mitwirken. Einzelne Unternehmen können damit innerhalb ihrer Sektoren zu dieser Transformation beitragen.

Vom Konzept zum Leitbild

Um den Begriff Naturpositiv in eine Richtung zu entwickeln, in der das transformative Potenzial ausgenutzt werden kann, hat OroVerde Empfehlungen erarbeitet, mit denen ein entsprechendes Leitbild entwickelt werden kann. Dies erfordert jedoch einen klaren, verlässlichen und ehrgeizigen Rahmen aus Richtlinien, Gesetzen und Vorschriften sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene. Im nächsten Schritt des Projekts wurde daher untersucht, welche politischen Rahmenbedingungen ein solches Leitbild braucht. Entsprechende Empfehlungen und Forderungen in Richtung Politik sind derzeit in Arbeit. In den letzten Monaten unseres Projekts wollen wir hier in den Austausch mit Wirtschaftsverbänden, Netzwerken und politischen Vertreter*innen gehen, um die Ausgestaltung dieser politischen Rahmenbedingungen voranzutreiben.


Du hast Rückfragen zu OroVerde oder willst Dich vertieft mit dem Konzept und den Empfehlungen für ein Leitbild auseinandersetzen? Du willst Dein/ Euer Engagement kommunizieren und Dich mit OroVerde fachlich über das Für und Wider von Naturpositivität austauschen? Nimm sehr gern Kontakt auf mit:

Dr. Hugo Rosa da Conceição, Projektmitarbeiter, hrosa@oroverde.de

Nina Gawol, Öffentlichkeitsarbeit, Tel.: 0228 24290-33, ngawol@oroverde.de

Über OroVerde

OroVerde – Die Tropenwaldstiftung engagiert sich seit 1989 weltweit für den Schutz tropischer Regenwälder. Neben den Tropenwaldschutzprojekten, Bildung für nachhaltige Entwicklung und Öffentlichkeitsarbeit führt die Stiftung Projekte durch, in denen Unternehmen dabei unterstützt werden, Ihren Teil zu einer wirksamen sozial-ökologischen Transformation zu leisten.


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Veröffentlicht am 17. Juli 2025

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