Interview mit Sina Trinkwalder

"Sinnstiftend wird Arbeit, wenn sie gesellschaftlich relevant ist"

Interview mit Sina Trinkwalder

Sina Trinkwalder, braucht man BWL, um eine erfolgreiche Unternehmerin zu sein?

Nein, du brauchst Grundkenntnisse der Grundrechenarten, Bauchgefühl und immer den richtigen Riecher, dazu Mut und Menschenliebe.   

Du warst in deinem Leben bereit, extreme Brüche hinzunehmen. Wie viel Risikobereitschaft benötigt man dafür? Und warst du schon immer derart risikobereit?

Ich glaube, jeder Unternehmer wird mir beipflichten: Unternehmer kann man nicht studieren, Unternehmer ist man. Und einen Unternehmer zeichnet neben der Neugier, die unverzichtbar ist, die Risikobereitschaft aus. Das darf man aber nicht mit Naivität oder Harakiri verwechseln. Und je größer dein Unternehmen ist, desto mehr musst du dir einen Kopf machen, denn du hast ja Verantwortung für viele Menschen. Es heißt immer: No risk, no fun. Ich würde eher sagen: No risk, no future! Wir müssen was riskieren. 

Wir fragen uns im Rahmen des Kongresses ja immer: Was ist eine sinnstiftende Tätigkeit? Und wie kommen wir dahin, dass wir alle mehr Freude an unserer beruflichen Tätigkeit haben?

Also zunächst mal gibt es auch bei mir Tage, wo ich wenig Freude an der Arbeit habe und mir vieles auf die Nerven geht. Es wäre gelogen zu sagen, alles bei uns ist immer mega. 80 Prozent meiner Tätigkeit ist einfach superlangweilige Administration und Organisation. Wenn es um sinnstiftende Tätigkeit geht, ist mein Rezept einfach, es wirklich relevant für die Gesellschaft zu machen. Dann wird es nämlich für einen selbst sinnstiftend.

Die meisten gehen eher andersrum ran und fragen: Was ergibt für mich Sinn? Aber was für einen selbst sinnstiftend ist, ist total sinnlos für andere. Dann fliehen sie irgendwann, weil die Taten nicht da sind und Demotivation die Folge ist, in Hyperachtsamkeit und ähnliches. Wenn du aber etwas tust, das gesellschaftlich relevant ist, dann gestaltest du Gesellschaft mit und pflegst Werte. Bestellst ein Feld, das nicht nur dich selbst, sondern auch andere nährt. Und das ist unglaublich sinnstiftend.

Für dich war es ja sinnstiftend, 100 Kilometer am Stück ohne Schlaf zu wandern. Eine extreme Pein für den Körper. Was kann man daraus für das Arbeitsleben lernen?

Das Interessante ist, dass ich denselben Schmerz erneut durchlaufen haben, als ich Manomama gegründet und 72 Stunden durchgearbeitet habe. Der Unterschied ist, dass es Chefs gibt, die Anordnungen geben. Und dann solche, die auf der gleichen Ebene wie alle anderen im Unternehmen sind und mit gutem Beispiel vorangehen. Während meine Ladys nach 8 Stunden Feierabend gemacht haben, habe ich einfach weitergenäht.

Man muss als Unternehmer sehr oft über die eigenen Grenzen gehen. Dadurch lernst du, was deine Grenze ist. Und wie du tunlich vermeidest, dass deine Mitarbeiter:innen über ihre Grenzen gehen, weil das nicht gesund ist. Trotzdem kann ich allen Unternehmern nur den Rat geben: Schone dich nicht, sondern schufte! Nur dadurch wird die Welt besser. 

Dein unternehmerischer Erfolg hat ja wirklich viel mit „unternehmen“ im Sinne von „machen“ zu tun. Hast du dafür ein Patentrezept?

Ja: Es machen, auch wenn alle dich auslachen. Vor dreieinhalb Jahren, also vor der Corona-Zeit, haben mein Mann und ich einen Atemschutzschal gegen Feinstaub und Pollen mit eingebauter FFP3-Maske entwickelt. Jeder hat das damals für überflüssig gehalten. Heute sind wir klüger. Du musst eine Vision haben und daran glauben. Wenn dir dann dein bester Freund sagt, das ist der größte Unfug, den er je gehört hat – genau dann machst du das. 

Die meisten wollen alles möglichst gut machen. Wie hinderlich ist das Streben nach Perfektion für Unternehmer?

Enorm hinderlich! Denn die meisten kommen dann nämlich gar nicht dahin, etwas zu tun. Sondern sie planen sich tot. Aber wann hat denn jemals schon etwas nach Plan funktioniert? Nie! Ich agiere nach dem Motto: Lieber das Gute üben, als in Perfektion scheitern.   

Bei aller Erfahrung als Unternehmerin: Wann gehst du in ein Angestelltenverhältnis zurück?

Ich habe in meinem Leben noch nie eine Bewerbung geschrieben, war noch nie angestellt und ich werde es auch nie sein.

Was für ein Fazit auf diesem Unternehmerkongress. Sina Trinkwalder, vielen Dank für das Interview.

 

Das Interview führte Ronald Battistini.

Über Sina Trinkwalder

Sina Trinkwalder (42) ist eine mehrfach ausgezeichnete Unternehmerin. 2010 gründete sie in Augsburg Deutschlands erste ökosoziale Textilfirma Manomama. Für ihr Engagement wurde sie unter anderem vom Rat für Nachhaltigkeit der Bundesregierung als „Social Entrepreneur für Nachhaltigkeit 2011“ ausgezeichnet und erhielt 2015 das Bundesverdienstkreuz.

Sinas Credo lautetet:
Nicht erfolgreich, sondern wertvoll sein.

Das setzt sie immer wieder praktisch in die Tat um. Nach zwei abgebrochenen Studien gründete sie eine Werbeagentur, die ökonomisch erfolgreich war, jedoch nach einiger Zeit zu der Erkenntnis führte: „Ich brauche was Sinnvolles im Leben“. Das fand sie dann als Gründerin von Manomama.

Bei SINN|MACHT|GEWINN 2022 fesselte Sina die Zuhörer:innen mit einer packenden Keynote über den Wert von Menschen.

Zur Website von Manomama

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Veröffentlicht am 20. November 2022

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